gehalten von Petra Quittel Stellvertretende Ortsvorsteherin, Mitglied Festkomitee.
Liebe Bürgerinnen und Bürger, werte Gäste unseres Ortes Annahütte,
Ein Ortsjubiläum ist ein hervorragender Anlass für einen Brückenschlag von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Bei der Vorbereitung und Gestaltung dieser Jubiläumsfeier zeigte sich der
Zusammenhalt und das Leistungsvermögen unseres Ortes Annahütte. Im September 2016 gründete sich dazu das Organisationskomitee 600 Jahre Särchen/ Annahütte. Alle Vereine und unsere gemeindlichen
Einrichtungen kamen an einem Tisch zusammen und man entschied sich getreu dem Motto „Zusammen halten- gemeinsam feiern“ alle Jubiläen 2018 in ein gemeinsames Festprogramm zu packen. Dank dieser
Zusammenarbeit wird uns eine würdige Jubiläumsfeier, in der wir mittendrin sind, gelingen.
„Nichts ist gewaltiger als der Mensch“, mit diesen Worten des alten Sophokles lässt sich die Geschichte unseres Ortes Annahütte wohl sehr treffend beschreiben, denn der Mensch machte aus einer
sumpfigen Bauergegend ein Dorf mit industrieller Geschichte.
Der Ort Särchen wurde am 11. Mai 1418 als "Serchin" erstmals urkundlich erwähnt. Der Ortsname lässt sich vom slawischen "zari" ableiten, der einen Ort bezeichnet, der durch Brandrodung
entstand.
Die Entwicklung des Dorfes war über Jahrhunderte hinweg durch häufige Verpfändungen und Besitzwechsel geprägt. Klein waren damals die Städte, kleiner und geringer an Zahl die Dörfer aber
unendlich die der Forste. Sumpf und Moorflächen durchzogen einst Särchen, die Flüsse waren unreguliert und hie und da stand ein Mühlrad. Nachts war alles noch still und dunkel. Es gab im
15./16 Jahrhundert ungefähr 15 u-förmig angelegte Bauerngrundstücke und 2 Gärtner im heutigen Dorfplatz. Im 18./ 19. Jahrhundert fand man schon drei Mühlen, die Hänzkamühle, die Herren und
die Dorfmühle bei Müllers. Namensgleichheiten mit jetzigen Bewohnern lassen hier einen langen Stammbaum vermuten.
Vor dem Einzug der Industrie hatte Särchen ca. 150 Einwohner, keine Schule, keine Kirche, keinen Friedhof. Dies alles erledigte man im Nachbarort Klettwitz. Die Bauer schlachteten selbst ihr
Vieh, buken ihr Brot, webten die Leinewand, Wasser entnahm man aus den Brunnen der Gehöfte. Arzt und Apotheke befanden sich in Ruhland. Aber man besaß in Särchen selbständiges Braurecht.
Leibliches Wohl und Gerstensaft waren schon damals ein besonderes Privileg, was den Särchener am Herzen lag. In Senftenberg und Finsterwalde betrieben die Särchener Handel und nutzten diese
Märkte zum Einkauf.
Mit der ersten Entdeckung von Kohlevorkommnissen in der Umgebung bei Poley und Klettwitz änderte sich das Leben der Särchener entschieden. Es ist aus Unterlagen bekannt, dass 1852 der Besitzer
der Hänzkamühle bei Särchen eine Kohleförderung betreibe.
Danach ging es Schlag auf Schlag, eine Grube nach der anderen wurde betrieben, die Minna, die Grube Emilie1 und 2, die Grube Henriette, die Grube von Görne1, und, und, und. Die Kohle wurde
zumeist anfangs unter Tage gefördert.
Kohle sollte unseren Ort noch sehr viele Jahre bestimmen im Guten wie im Schlechten. Das Auffinden von Quarzsand und die Nähe des Feuerungsmaterials ließ auf Särchener Gemarkung 1863 eine
Glashütte entstehen mit einem Schmelzofen. Man stellte hauptsächlich Lampenartikel her. Ebenso entstand 1863 eine Ziegelei auf Grund von Tonerdevorkommen. 1865 schmelzen schon zwei Ofen Glas, aus
jener Zeit stammt auch der Ausdruck Roter Strumpf, eine Wohngegend in dem Glasmacher aus Böhmen wohnten, die rote Strümpfe trugen.
Major von Görne kaufte 1872 die Emilienhütte und benannte sie ein Jahr darauf nach seiner Frau Annahütte. 1896 wird eine Glasmalerei und 1903 eine Glasschleiferei errichtet. Glasprodukte
wurden weltweit verkauft hauptsächlich nach England, seinen Kolonien aber auch bis nach Japan. Heute nennt man das globales Handeln. Kohle dagegen verblieb im Inland.
Das Jahr 1884 ist ein Markstein in der Geschichte des Ortes Särchen. Der geheime Kommerzienrat Heye aus Hamburg kaufte in Särchen alle industriellen Unternehmungen, baute viele aus und
entwickelte sie im Laufe der Jahre weiter und weiter. Ein Entwicklungsmeilenstein war der Bau der Eisenbahn Schipkau Finsterwalde (genannt die Schippchenbahn) mit einem Bahnhof in Annahütte. Die
industrielle Entwicklung im Ort stieg rasant in die Höhe, zahlreiche Geschäfte zeugen von einer regen Betriebsamkeit. Die Einwohnerzahl stieg mit der Entwicklung der Industrie und von nah und
fern kamen Gastarbeiter. Wohnraum war nötig und so schuf man 1890 die Glaswerksiedlung Annahütte.
1888 wurde zur Beschäftigung der Arbeiter in der Freizeit der erste Turnverein in Annahütte gegründet. 1913 kam dann der Fußball hinzu. In späteren Jahren sollten dann noch Radsport, Schach,
Handball und Kegeln hinzukommen, Auch der Bau der Badeanstalt ließ die Bürger sich sportlich betätigen. Heute ist es das Kinderfreizeitzentrum Ökotanien, eine gute Nachfolge. Bis heute gibt
es in Annahütte einen Sportverein mit den Sektionen Fußball und Schach. 1970 nach Schaffung verschiedener Seen in der Umgebung wurde der Angelverein gegründet, der bis heute aktiv ist. Doch nicht
nur sportlich war betätigte man sich, Särchener und Annahütter sagen auch gern und tauschten sich in Schänken häufig politisch aus. Beides passt hervorragen zum karnevalistischem Treiben. 1948
gründeten unverdrossenen Karnevalisten den KCA 48. Eine kulturelle Bereicherung in ganz Annahütte und Umgebung und bis heute mit viel Anstrengung und Kraft im Betrieb. Nur zwei Mal fiel in
Annahütte eine Saison aus, einmal wegen eines Bergwerksunglücks und einmal, weil Armisten bei strengem Winter 1979 das Clubhaus, die Residenz des KCA, bezogen. Die 70. Saison haben die
Karnevalisten schon fast würdig hinter sich gebracht und trotzdem noch viele gute Ideen für weitere.
Im Jahr 1913 wurde die Annahüter Freiwillige Feuerwehr mit 14 Männern gegründet. Ihre erste Bewährungsprobe bestanden die Feuerwehrmänner bei einem Großbrand in Lug, mit einer Anfahrzeit von nur
30 Minuten. Im September 1913 entstand in der Bahnhofstraße das erste Spritzenhaus. Seit 1966 gibt es die Arbeitsgemeinschaft junge Brandschutzhelfer, heute nennt man das Jugendfeuerwehr. Und
davon hat Annahütte eine bestens organisierte und zahlenmäßig starke. Aber auch die Großen sind eine einsatzstarke Truppe mit Mann und Frau, nicht zu vergessen ihre Ehrenabteilung mit
langgedienten Feuerwehrmännern und Frauen. Blies man zur Alarmierung 1913 noch das Horn, so sendet man heute digitale Alarmrufe. Wegzudenken ist die FFW aus Annahütte nicht mehr, ist sie doch bei
allen Festen, Feiern und besonderen Situationen vor Ort oder besser im Einsatz.
Das Bildungswesen in Särchen bestand bis 1872 nur aus einer kleinen Familienschule, die 1868 gegründet wurde (vor 150 Jahren) Die Särchener Kinder wurden anfangs nur von einem Lehrer
unterrichtet. Die wachsende Kinderzahl auch der Annahütter Kolonie bewog den Kommerzienrat Heye eine eigene, Annahütter, Schule 1893 zu bauen. Ein Klassenraum dieser alten Schule von Annahütte
diente den Bürgern als Betsaal. Die Industrie wuchs schnell in Annahütte, die Kinderzahl ebenso. So wurde der Neubau einer Schule notwendig. Ostern 1913 bezogen 600 Schüler aus Särchen und
Annahütte das neue schmucke Schulgebäude in der Bahnhofstraße, was als Besonderheit den separaten Sanitärtrakt hatte. Und noch heute laufen kleine Kinderfüße auf der über 105 Jahre alten
Schultreppe, nur das die Kinderzahl heute nur 130 ist. Wir Annahütte sind stolz und auch froh über unsere Schule im Ort mit dem Namen „Blauer Planet“ welcher auch für Kinder und Lehrer
Verpflichtung ist. Die umfassende Sanierung und ständige Verbesserung der Lernbedingungen sorgt für ein gutes Schulklima, wofür die Schule der Gemeinde sehr dankbar ist.
Aber Kinder sind vor ihrem Schulalter ja auch mal klein. Die Gründung des 1. Kindergartens ist mir nicht bekannt. Sicherlich lief es auch in Särchen und Annahütte so wie vielerorts. Oma passte
auf die kleinen auf. Bekannt aber ist, das in der ehemaligen Menage, einem Arbeiterwohnheim mit Essenversorgung, 1953 die ersten Kinder in den Betriebskindegarten des VEB Glaswerk Annahütte
einzogen. Mittwoch feierte man dementsprechend ein schönes Kinderfest zum 65.jährigem Jubiläum.
Ich sprach schon kurz vom Betsaal in der alten Schule Annahütte. Dem Kommerzienrat Heye verdankt man den Bau der Kirche welche am 27. Juni 1905 eingeweiht wurde. Den Namen Henriettenkirche bekam
sie von der Gattin des Kommerzienrates. Pfarrlich betreut wurde und wird die Kirche vom Pfarrer in Klettwitz. Die Kirche überstand alle Wirren der Zeit, Krieg und eventuelle Abbaggerung. Der
Förderverein Annahütte -Lausitz e.V. gegründet am 25. Juni 1998 von engagierten Annahütter Bürgerinnen und Bürgern sorgt seitdem für den Erhalt der Kirche mit umfangreichen
Sanierungsarbeiten. Grund der damaligen Vereinsbildung war aber auch, dazu beizutragen, unseren Ort, der durch den Wegfall des Glaswerkes nach 1995 vor allem für junge Leute an Attraktivität
verloren hat, wieder lukrativer zu machen. Viele Veranstaltungen beweisen das, ein schönes Beispiel für Zusammenhalt ist das traditionell am 3. Advent stattfindende Weihnachtstreiben vor der
Kirche, dieses Jahr zum 21. Mal.
Mein Weg ging jetzt rasant von 1880 zu 1998 im Schnelldurchlauf mit allen Jubilaren. Aber erwähnenswert ist unbedingt die Zeit um den 2. Weltkrieg. Am 24.1. 1938 vor 80 Jahren verfügten
Nationalsozialisten das der slawische Name Särchen gestrichen wird und der Ort zukünftig nur noch Annahütte heißt. Im 2. Weltkrieg gab es in Annahütte zahlreiche Bombenangriffe, Männer wurden
Soldaten, Frauen mussten in die Industrie. Sowjetische Truppen besetzten den Ort 1945. Annahütte wurde kampflos übergeben, was sicherlich vielen das Leben und ihr Hab und Gut rettete. Doch der
Krieg schlug anders zu. Als Reparationszahlung an die Sowjetunion wurden die Brikettfabriken Heye 2 und Waldmannsheils demontiert. Unter den damals 3594 Annahütter Einwohnern waren 828
Flüchtlinge. Geblieben im damals reichen Industriestandort ist nur das Glaswerk. Doch die Annahütter rauften sich zusammen und mit Tatkraft baute man das eine Glaswerk wieder auf, welches auch
später über die Grenzen des Kreises bekannt geworden ist. Viele Jahre prägte Annahütter Bleikristall das Geschicke des Ortes.
Aber auch die Kohle holte uns wieder ein. Annahütte hat noch reichlich Kohle unter sich und sollte abgebaggert werden. Dies verhinderte viele Investitionen im Ort. Mit der politischen Wende
und der Entscheidung, das Annahütte nicht der Kohle zum Opfer fallen soll, veränderte sich das Leben abermals. Viele Menschen folgten dem Ruf der weiten Welt und zogen weg aus Annahütte. Ein
Grund dafür war auch der Verlust des Arbeitsplatzes in der Glasindustrie, denn das Werk wurde 1990 abgewickelt. Der Einzelhandel schrumpfte rapide, fehlten doch fast 2/3 der ehemaligen Einwohner.
Aber auch diese Zeit überstand dank Willen, Einsatz und Menschenkraft der Ort Annahütte. Die Dagebliebenen begannen ihre Häuser nach ihren Wünschen herzurichten. Einige kleine Geschäfte schafften
die Wendewirren. Aber auch neue Standbeine wuchsen in Annahütte. So ist nach Kohle und Glaswerk heute ein Seniorenzentrum der größte Arbeitgeber. Und mit der Verschönerung des Ortes, den Einsatz
der Gemeinde auch für unseren Ort bei der Sanierung von Straßen, der Schule, der Kita der FFW lebt es sich gut in Annahütte. Zeichen dafür ist, das viele junge Leute hierbleiben wollen oder
wiederkommen.
Die Natur hat sich erholt und alle durch Menschenhand geschaffenen Veränderungen bewältigt. Beachten wir dies, erhalten wir Annahütte als einen Ort wo es sich gut leben lässt und verändern wir
sanft was wir zum Guten tun können. Und etwas Bleibendes in Erinnerung an die Geschichte des Ortes, und sei es noch so banal ist die Umbenennung der Bushaltestelle auf dem Dorfplatz. Särchen hat
dort seinen richtigen Platz wiedergefunden. Denn da steht die Wiege, der Beginn unsere Särchen/Annahütter Geschichte.
Lassen Sie uns heute aber erstmal zusammen feiern, lassen sie uns gemeinsam an alte Zeiten erinnern, in der Schule oder der Feuerwehr. Tauschen sie sich aus in der historischen Ausstellung in der
Kirche, wo sie noch viel mehr Informationen zu Annahütte erhalten, als ich heute erzählen konnte. Und machen Sie unbedingt den Ortsrundgang mit unseren Begleitern, denn da erfahren sie viele
kleine Details aus Annahütte. Wir als Festkomitee wünschen Ihnen dabei viel Freude und erzählen Sie das Erfahrene unbedingt ihren Kindern weiter, sonst ist das geschichtliche Wissen später einmal
verloren. Und da man nicht alles in seinem Kopf behalten kann, haben wir es aufgeschrieben. Es entstand ein liebevoll gestaltetes Festheft. Dort finden sie alle Daten und Fakten zu Annahütte und
so manches Anekdötchen dazu.
Ich als geborene Annahütterin und wieder zugezogene Annahütterin bin stolz auf meinen Ort und die Menschen, die hier leben. Ich möchte hier alt werden, die Chance habe ich ja.